Die 24-jährige Leonie Giebel blickt bereits auf große Erfolge in ihrer Boxkarriere zurück: Sie ist zweifache deutsche Meisterin im Superfedergewicht. Wir haben uns mit ihr über ihre Leidenschaft zum Veganismus und Boxen unterhalten.
Was hat dich zum Boxen geführt und fasziniert dich besonders an dieser Sportart?
Ich komme aus einer Kampfsportfamilie und habe bereits mit sieben Jahren mit Ju-jutsu angefangen, da dieser Sport bei uns im Dorf angeboten wurde. Mit 14 Jahren habe ich dann eine neue Herausforderung gesucht. Mir war klar, dass ich beim Kampfsport bleiben wollte und habe dann das Boxen für mich entdeckt. Nun boxe ist seit fast elf Jahren und bin noch immer komplett fasziniert von diesem Sport, denn dein ganzer Körper wird von Kopf bis Fuß gefordert. Man muss immer bereit sein und viel Disziplin haben. Neben Kondition und Kraft ist natürlich die richtige Technik entscheidend.
Was hat zu deiner Entscheidung geführt, vegan zu werden?
Seit sechs Jahren lebe ich vegetarisch und seit vier Jahren vegan. Der komplette Verzicht auf tierische Lebensmittel kam also relativ rasch. Vegetarisch bin ich von einem Tag auf den anderen geworden, der vegane Lebensstil hat sich ein bisschen eingeschlichen. Ich habe mich mehr damit beschäftigt unter welchen Umständen die Tiere leben müssen. Zunächst habe ich einen veganen Tag in der Woche gemacht und bin dann innerhalb von ein paar Monaten komplett umgestiegen aus tierethischen Gründen.
In deiner Boxkarriere hast du dich also zunächst omnivor, dann vegetarisch ernährt und nun lebst du vegan. Hat sich deine Ernährungsumstellung merklich auf deine sportliche Leistung ausgewirkt?
Ja, auf jeden Fall! Meine Leistung hat sich sehr gesteigert, seitdem ich vegan bin. Ich habe keine Probleme mehr mein Gewicht zu halten. Ich muss also keine Ringdiäten vor den Kämpfen einhalten. Ich fühle mich leichter und fitter. Besonders meine Laufgeschwindigkeit hat sich verbessert.
Hast du einen strikten Ernährungsplan in den Kampfphasen?
Prinzipiell achte ich darauf, drei Wochen vor dem Kampf keinen Weizen und Zucker mehr zu essen. Manchmal ist der Zeitraum ein bisschen länger, manchmal ein bisschen kürzer. Aber eigentlich esse ich, was ich intuitiv für richtig halte und womit ich mich wohl fühle. Auf Weizen und Zucker verzichte ich eigentlich um mich kopfmäßig vorzubereiten, um einfach noch ein bisschen mehr Disziplin in die Kampfphase zu bringen.
Ist vegane Ernährung unter deinen Kolleg_innen verbreitet?
Nein, von meinen Kolleg_innen ist niemand vegan, aber alle sind sehr interessiert an meiner Ernährungsweise und fragen mich nach Rezeptvorschlägen. Ich denke nicht, dass es schwieriger ist, sich vegan zu ernähren als Boxerin. Denn egal wie man sich ernährt, jede_r im Profisport muss sich mit dem Thema Ernährung auseinandersetzen und darauf achten, was und wie viel von einer bestimmten Lebensmittelgruppe gegessen wird. Nicht nur Veganer_innen, sondern alle sollten sich mit Ernährung beschäftigen, egal ob Sportler_in oder nicht.
Wie war die Reaktion deines Umfelds auf deine Entscheidung Veganerin zu werden?
Mir sind kaum Vorurteile begegnet, die allgemeine Reaktion war überwiegend positiv. Ich muss sagen, dass ich ziemliches Glück mit meinem Umfeld habe und sehr unterstützt wurde. Natürlich wurde ich anfangs auch öfters gefragt, ob es schwierig sei vegan zu leben und wo ich meine Nährstoffe herbekommen würde. Aber alle haben ziemlich schnell gemerkt, dass mir die vegane Ernährung guttut. Denn auch meine Leistung hat sich zu dieser Zeit verbessert.
Ist es schwierig unterwegs auf Wettkampfreisen veganes Essen zu bekommen?
Mittlerweile finde ich es gar nicht mehr so schwierig, wenn man sich vorher etwas informiert. Ich google meistens übers Handy, wo ich veganes Essen bekommen kann. Für den Notfall habe ich natürlich auch immer etwas dabei, damit ich ausgerüstet bin, wenn es mal gar nichts gibt.
Immer mehr bekannte Sportler_innen leben vegan, im Kampfsport zum Beispiel Mac Danzig und David Haye. Diese zeigen, dass sich sportliche Höchstleistung und Veganismus perfekt ergänzen und helfen Klischees à la „Keine Kraft ohne Fleisch“ abzubauen. Hast du Tipps für Sportler_innen, die vegan werden wollen?
Am wichtigsten ist, sich erstmals zu informieren, was man als Veganer_in essen und nicht essen kann. Viele denken noch immer, dass man total eingeschränkt ist und das stimmt einfach nicht. Ich werde immer gefragt, was ich denn esse und dabei sind alle Grundnahrungsmittel pflanzlich. Man kann die besten Speisen daraus machen. Man kann sich Schritt für Schritt an den Veganismus herantasten, sich informieren und zu Hause vegane Gerichte ausprobieren. Ich habe selbst am Anfang in der Küche experimentiert und geschaut, was man wie machen kann. Mittlerweile nutze ich gerne Instagram und Blogs, um mir neue Kochideen zu holen.
Welchen Zugang hast du, Leuten zu zeigen, wie wichtig und genussvoll Veganismus ist?
Ich will anderen nicht meine Meinung aufzwängen und denke, dass ich ein Beispiel bin, wie man gleichzeitig vegan und stark sein kann. Ich hoffe, dass ich ein paar Leute inspirieren kann, die vegane Ernährung auszuprobieren. Auf meinem Facebook– und Instagram-Account findet man viel zum Boxen und Veganismus.
Wie sehen deine Zukunftspläne aus?
Ich studiere Sportwissenschaften und finde, dass sich dieses Studium mit meiner Boxerfahrung gut verbinden lässt. Später möchte ich in Richtung Personal Training gehen und denke, dass Boxtitel eine gute Werbung dafür sind. Ich gebe an der Uni Boxunterricht für Anfänger_innen und Fortgeschrittene. Sehr gerne würde ich mit denen zu ein paar Wettkämpfen fahren. Das Trainersein macht mir auf jeden Fall Spaß. Es ist sehr interessant, das Boxen aus zwei verschiedenen Perspektiven zu erleben und zu sehen, was Trainer_innen alles leisten. Meine oberste Priorität ist derzeit das Boxen, dafür trainiere ich momentan acht Mal in der Woche und das Studium muss etwas zurückstecken. Auf jeden Fall möchte ich selbst im Boxen noch etwas erreichen.
Leonie Giebel blickt auf eine beeindrucke Siegstatistik zurück: Bis auf ein Unentschieden hat sie all ihre Kämpfe gewonnen. Am 10. Juni kämpft sie bei den Europameisterschaften um ihren ersten internationalen Titel. Wir wünschen ihr alles Gute für die Zukunft und ihren nächsten Kampf!